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Warum kann ich das Grab meines Vorfahren nicht besuchen?

Heike Leiacker - 17. September 2022 - Allgemein, Traditionen, Wissen

Heute möchten wir uns einer oft gestellten Frage unserer ausländischen Kunden widmen, deren Antwort immer wieder für Verwunderung sorgt.

In den USA und auch in anderen Ländern werden Gräber meist für die Ewigkeit angelegt. Auch im Islam oder Judentum soll eine ewige Ruhe der Verstorbenen gewährleistet sein. Entsprechend erhalten wir oft Anfragen zu den Liegestellen der Vorfahren, die während einer Reise besucht werden sollen, oder Bitten um Fotos der Grabstätten. Oft ist dies in Deutschland leider aber nicht möglich.

Zwar können wir natürlich versuchen herauszufinden, wo ein Vorfahre bestattet wurde, ob das Grab noch existiert ist aber eine ganz andere Frage.

 

 

Ruhe- bzw. Liegezeiten

In Deutschland ist es nämlich (für die Ahnenforschung muss man sagen leider) heutzutage üblich, dass nur ein Grabnutzungsrecht für einen beschränkten Zeitraum erworben, das Grab also nur „gemietet“ wird. Dies hat historisch gesehen vor allem Platzgründe. Die Dauer des Nutzungsrechts, die sogenannte Ruhe- oder Liegezeit, hängt von den örtlichen Bestimmungen ab. Die Totenruhe soll gewahrt werden und der Verstorbene soll möglichst vollständig verwest sein, ebenso sollen die Hinterbliebenen einen Ort zum Trauern haben.

Die Dauer der Ruhefristen variieren je nach Grabart und Friedhof (Auslastung und Bodenbeschaffenheit). Maßgeblich ist dabei u.a. die Verwesungsdauer. Bei saurem Boden schreitet diese schneller voran, lehmhaltige Böden verlangsamen sie. Die Mindestruhezeiten ergeben sich aus den jeweiligen Bestattungs- und Friedhofsgesetzen der Bundesländer. In Baden-Württemberg, Brandenburg und Hessen betragen sie beispielsweise 15 Jahre, in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen 20 Jahre. Die tatsächlichen Ruhezeiten können jedoch von Friedhof zu Friedhof variieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass Erdgräber in Deutschland etwa 20-30 Jahre bestehen bleiben, bei Kindern verkürzt auf ca. 10-20 Jahre, und Urnengräber meist 10-25 Jahre. Zum Beispiel für Gruften oder bei sehr lehmhaltigen Böden gelten aber meist noch deutlich längere Zeiten. Bei Familiengräbern gilt die Frist ab der Bestattung der letzten Person.

Im Anschluss an die vorgeschriebenen Ruhezeiten gibt es je nach Grabart eventuell die Möglichkeit, die Nutzungsrechte an den Grabstätten gebührenpflichtig zu verlängern. Bei den sogenannten Wahlgräbern ist dies oft unbegrenzt möglich.

Kommt es nicht zu einer Verlängerung, wird das Grab aufgelöst und neu vergeben. Es muss dann abgeräumt, d.h. der Grabstein und sonstige Grabdekorationen müssen entfernt werden (durch die Angehörigen oder auf deren Kosten). Anschließend findet eine Einebnung des Grabes durch den Friedhof oder die Friedhofsgärtnerei statt. Wenn benötigt, wird das Grab anschließend neu vergeben. Sollten doch noch Überreste des Leichnams vorhanden sein, werden diese ggf. umgebettet (unter dem neuen Grab oder an bestimmten Flächen des Friedhofs). Auch Urnen werden ggf. meist nach Ablauf der Fristen in einem anonymen Urnenfeld beigesetzt. Die Friedhofsgesetze der Bundesländer regeln den genauen Umgang in diesen Fällen.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen von dieser Praxis. So bieten manche Friedhöfe durchaus „Ewigkeitsgräber“ mit unbefristeten Ruhezeiten an, sei es für Personen, die religiöse oder ggf. auch etwaige andere Gründe haben. Es hängt also sehr stark davon ab wann, wie und wo Ihre Vorfahren beerdigt wurden, ob sich heute noch Spuren auf einem Friedhof finden lassen. In der Regel wird sich aber leider kein Grab mehr finden lassen. Umso wichtiger sind für die Ahnenforschung entsprechend Projekte in deren Rahmen Grabsteine abfotografiert werden.

Übrigens herrscht in Deutschland der sogenannte Friedhofszwang oder die Friedhofspflicht. Urnen dürfen demnach nicht im Haus der Angehörigen aufbewahrt werden und auch ein Verstreuen der Asche ist meist nicht - oder nur auf dem Friedhof - gestattet. Allerdings ist dies durchaus umstritten und in Bremen teilweise gelockert worden (dort darf die Asche nun an bestimmten Stellen verstreut werden).

Im Gegensatz zum Grab ist der Grabstein übrigens Eigentum der Angehörigen, mit ihm kann nach dem Abräumen individuell verfahren werden.

 

 

Historische Friedhöfe, Gräber und Grabsteine

Dennoch sind deutsche Friedhöfe Orte des Gedenkens und der Geschichte, die es sich durchaus zu besuchen lohnt (vergleiche hierzu auch unsere Blogbeiträge zum Friedhof 2.0 und 3.0).

Neben bestehen gebliebenen historischen Friedhöfen haben auch heute noch genutzte Friedhöfe durchaus ein Interesse daran, bestimmte Gräber - oder zumindest die Grabsteine - langfristig zu erhalten: Zum Beispiel wenn es sich um besonders alte/historisch wertvolle oder besonders kunstvolle Grabsteine oder Grabgestaltungen handelt, die das Bild des Friedhofs positiv prägen, oder im Fall von berühmten und/oder für die (Stadt-)Geschichte wichtigen Persönlichkeiten. Daher finden sich auf Friedhöfen trotz der vergleichsweise kurzen Ruhezeiten auch durchaus ältere Gräber oder Zusammenstellungen von alten Grabsteinen (unabhängig von den ursprünglichen Gräbern).  Besondere Bestimmungen gelten auch für Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Und jüdische Friedhöfe sind natürlich auch in Deutschland für die Ewigkeit angelegt. Allerdings wurden sie leider oft in der Zeit des Nationalsozialismus geschändet und zerstört. Ein Besuch der erhaltenen jüdischen Friedhöfe ist teilweise nur nach Anmeldung möglich.

 

 

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