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Bleiben Sie sauber (und vor allem gesund)!

Silke Deeb - 25. Mai 2020 - Allgemein, Hamburg, Historische Ereignisse, Jubiläum, Persönlichkeiten, Wissen

Ein Geburtstag ist normalerweise eine gute Gelegenheit, viele Gäste einzuladen und dies erst recht, wenn das Geburtstagskind bereits ein bewundernswertes Alter erreicht hat. Zurzeit fallen solche Anlässe des Beisammenseins reihenweise aus, was wir der allgegenwärtigen Corona-Krise zu verdanken haben. Wenn man doch andere Leute trifft, sind viele erleichtert, wenn zumindest Desinfektionsmittel vorhanden ist. Da ist es doch eine willkommene Abwechslung, über den Geburtstag von etwas zu sprechen, das niemals einlädt aber trotzdem - und gerade aktuell - ein Grund zum Feiern ist.

Aber wer oder was wird diesen Juni 55 Jahre alt? Alle, die bei uns im Büro arbeiten sind jedenfalls jünger. Unser Alter haben wir aber nicht zuletzt dem Geburtstagskind zu verdanken: dem Sterillium! Und wir meinen hier das „echte“ mit dem Markennamen Sterillium, denn der Erfolg des Sterilliums machte es genauso wie „Tempo“ bei den Taschentüchern zum gängigen Allerweltsnamen für Handdesinfektionsmittel.

Derzeit heiß begehrte Mangelware, verließ die erste Charge Sterillium im Juni 1965 ausgerechnet hier in Hamburg im Stadtteil Stellingen das Produktionswerk der Firma BODE Chemie. Seitdem retten die etwas stechend riechenden, hellblau- oder weiß-transparenten Flüssigkeiten und Gels Gesundheit und Leben. Die BODE Chemie gehört heute zur HARTMANN-Gruppe aus Heidenheim, aber die Geschichte des Sterilliums bleibt eine hamburgische. Denn der Erfinder war ein heute pensionierter Chefarzt des Hamburger Universitätklinikums Eppendorf (UKE), Prof. Peter Kalmár.

Damit Kalmár und die Firma BODE Chemie in Sachen chirurgischer Desinfektion Geschichte schreiben konnten, brauchte es eine Reise aus Ungarn nach Hamburg. Peter Kalmár, geboren 1934 in Ungarn, studierte Medizin in Budapest, bis er 1956 in den Westen floh. In Deutschland beendete er sein Studium und wurde Anfang der 1960er Jahre Assistenzarzt am UKE in der Station für Herzchirurgie.

Wer operiert werden musste, konnte selbstverständlich darauf vertrauen, dass die Ärzte ihr Handwerk meisterhaft verstanden. Aber die Reinigungsprozedur der Ärzte vor der Operation war aufwendig und umständlich und der reine Zustand hielt nicht lange an. Wenn sich die operierenden Ärzte und die Operations-Assistenzen zu nahe kamen, musste die minutenlange Prozedur des Händewaschens mit Bürsten und des Abspülens mit schnell verfliegendem Alkohol wiederholt werden – absolut nicht ideal, erst recht nicht bei einer bereits begonnenen Operation. Auch bei der regelmäßigen Visite der Chefärzte bei den Patienten wurden unbeabsichtigt und unwissentlich Keime weitergetragen. Besonders Wundinfektionen waren der Auslöser dafür, dass selbst eine Standardoperation im Nachhinein ein echtes Risiko werden konnte.

Peter Kalmár sah darin ein großes Problem und begann zu tüfteln. Zusammen mit Forschern der Firma BODE Chemie entwickelte er ein Mittel, dass als Flüssigkeit in die Hände gegeben und verteilt werden konnte und das in Sekundenschnelle alle Keime abtötete. Dieser Durchbruch und diverse weitere hygienische Neuerungen in der Behandlungspraxis sorgten für eine drastische Senkung der Infektions- und Sterblichkeitsrate in der Hamburger Herzchirurgie. Schnell eroberte das Sterillium alle Bereiche, in denen eine gründliche Desinfektion der Garant für Gesundheit und Leben ist.

Das Erfolgsrezept des Sterilliums verkauft sich heute weltweit und in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegewesens ist es allgegenwärtig. Sollten Sie eines dieser Fläschchen bei sich in der Wohnung stehen haben, dürfen Sie sich glücklich schätzen. Die Produktion kommt aufgrund der gestiegenen Nachfrage durch die Corona-Pandemie kaum noch hinterher. Solange Sie aber nicht am offenen Herzen operieren oder sonstige medizinische Notwendigkeiten es erfordern, können Sie trotz der leeren Desinfektionsmittel-Regale beruhigt sein. Für alltägliche Zwecke reicht auch die normale Seife. Die ist übrigens ein echtes Urgestein: Schon die alten Römer erkannten ihre reinigende Wirkung. Und sie waren nicht einmal die ersten, die seifenhaltige Substanzen für die Körperreinigung verwendeten.

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