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Was steht da? Rechtschreibung in Deutschland

Heike Leiacker - 31. August 2017 - Allgemein, Historische Dokumente, Wissen

Wohl jeder Ahnenforscher kennt das Problem: In alten Dokumenten unterscheiden sich Wörter oft in ihrer Schreibweise, was es nicht gerade einfacher macht, alte Handschriften zu lesen. Problematisch kann es für die weitere Ahnenforschung vor allem dann werden, wenn die persönlichen Daten betroffen sind, insbesondere der Name.

Der Grund für die heute oft willkürlich erscheinenden Schreibweisen ist, dass es sehr lange gar keine festen Regeln zur Rechtschreibung gab. Wenn es um persönliche Daten geht, kommt erschwerend hinzu, dass die betreffenden Personen früher oft selbst nicht schreiben konnten, sie die Angaben beispielsweise im Kirchenbuch also nicht überprüfen konnten. Wenn ich bedenke, wie oft und unterschiedlich mein Nachname heute trotz Buchstabieren falsch geschrieben wird, ist es kein Wunder, dass sich viele verschiedene Schreibweisen herausbildeten.

 

Die Anfänge der deutschen Schriftsprache

Deutsch als Schriftsprache begann sich im 8. Jahrhundert in den Schreibstuben der Klöster zu entwickeln. Für die Verschriftlichung nutzten die Mönche das lateinische Alphabet.  Allerdings reichten die Buchstaben nicht aus, um alle Laute zu bilden. Hierfür wurden unterschiedliche Lösungen gefunden und es bildeten sich unterschiedliche Schreibgewohnheiten heraus. Hinzu kommt, dass es bis ins 19. Jahrhundert kein Deutschland als Nationalstaat gab, sondern viele verschiedene Staaten. Daher waren nicht nur regional unterschiedliche Sprachen bzw. Dialekte verbreitet. Sondern, weil man schrieb, wie man sprach, eben auch sehr unterschiedliche Schreibweisen.

Seit dem 14. Jahrhundert wurde das Lateinische vom Deutschen als Kanzleisprache (Sprache des offiziellen Schriftverkehrs) verdrängt. Hierdurch sowie durch die Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts, den Handel und die zunehmende Zahl der Schreib- und Lesekundigen entstand der Bedarf nach einer überregional verständlichen Verschriftlichung. Das Neuhochdeutsch entwickelte sich. Eine Vereinheitlichung der Schreibweise bedeutete das jedoch nicht. Verlage und Schulen folgten regional sehr unterschiedlichen Regeln. Bis ins 18. Jahrhundert fanden sich beispielsweise noch viele Doppelkonsonanten (auff statt auf) und bis ins 19. Jahrhundert wurde statt dem heutigen ei häufig ey oder eÿ geschrieben (bey oder beÿ statt bei). Auch Satzzeichen wurden lange Zeit sehr unterschiedlich genutzt. Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden Virgeln (Schrägstriche) häufig anstelle von Kommas gesetzt.

 

Vereinheitlichung der Rechtschreibung

Seit dem 16. Jahrhundert begannen Gelehrte eigene Rechtschreibvorschläge zu machen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich neben der phonetischen Richtung, die vorsah, dass man so schrieb wie man sprach, eine historische, die die Wortgeschichte berücksichtigen wollte. Diese zweite Sichtweise wurde unter anderem von den Gebrüdern Grimm in ihrem Deutschen Wörterbuch vertreten. Ab etwa 1850 gab es auch Regelwerke der einzelnen Schulverwaltungen. Diese wichen jedoch teilweise stark voneinander ab.

Nach der Reichsgründung 1871 wurden die Rufe nach einer einheitlichen Rechtschreibung lauter. Eine erste Konferenz scheiterte 1876 mehr oder weniger. Anschließend erschienen jedoch die ersten amtlichen Regelbücher in Bayern und Preußen. 1880 veröffentlicht zudem Konrad Duden das „Vollständige orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“, das eine Synthese aus beiden Regelungen herstellte und im gesamten deutschsprachigen Raum Einfluss hatte.

Aber erst 1901 wurde auf der II. Orthographischen Konferenz eine einheitliche Rechtschreibung offiziell beschlossen. Diese lehnte sich stark an den Duden an, der bereits für eine weitgehende Vereinheitlichung in der Praxis gesorgt hatte. Sie wurde ab 1903 an den Schulen gelehrt und in den Behörden eingeführt. Einige Neuerungen waren: Das th wurde in Wörtern deutschen Ursprungs abgeschafft (beispielsweise Tal statt Thal). Bei Fremdwörtern (beispielsweise Theater) wurde sie jedoch beibehalten. Endungen wurden vereinheitlicht (-niß/-nis, -iren/-ieren). Insgesamt  wurden, besonders bei Fremdwörtern, viele Doppelschreibungen zugelassen, die erst in den Folgejahren durch den Duden eingeschränkt wurden. Keine Regelungen gab es beispielsweise zur Zeichensetzung.

 

Reformen – oder lieber doch nicht?

Schon bald nach der Einführung einer einheitlichen Rechtschreibung wurden weitere Reformen gefordert. Eine Vereinfachung war gewünscht. Allerdings wurde die deutsche Rechtschreibung praktisch bis 1996 nur durch den Duden weiterentwickelt. Größtenteils waren diese Änderungen marginal, 1915 wurden aber Regelungen zur Zeichensetzung aufgenommen, die keine Grundlage in den Beschlüssen von 1901 hatten.

Es gab zwar mehrere Ansätze zu Reformen, sie hatten jedoch keinen Erfolg. Im Nationalsozialismus gab es weit fortgeschrittene Planungen zu einer Rechtschreibreform im Jahr 1944. Diese scheiterte daran, dass sie als nicht kriegswichtig eingestuft wurde. In anderen Fällen waren Widerstände gegen die Reformüberlegungen der Grund für ihr Scheitern. Immer wieder wurde beispielsweise die „gemäßigte Kleinschreibung“ gefordert (d.h. die generelle Großschreibung von Substantiven sollte abgeschafft werden) – und wieder verworfen.

Durch die deutsche Teilung entstanden zwei Ausgaben des Dudens. In Bezug auf die Rechtschreibung unterschieden sie sich kaum, aber in der Auswahl der Stichwörter sowie in den Wortbedeutungen. Auch gab es in beiden Teilen Deutschlands Reformüberlegungen. Ab 1980 fand auch eine Zusammenarbeit zwischen Ost und West statt.

1996, nach der Wiedervereinigung, wurde dann endgültig die Rechtschreibreform beschlossen und 1998 eingeführt. Nach einigen Änderungen ist sie seit 2005 bzw. 2006 verbindlich – zumindest für Schulen und Behörden. Obwohl die Reform vergleichsweise kleine Änderungen mit sich brachte bzw. häufig unterschiedliche Schreibweisen zulässt, wurde und wird sie von vielen vehement abgelehnt.

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2 Kommentare

Beyond History

17. September 2017

Vielen Dank! Darüber freuen wir uns sehr! :-)


Johanna

31. August 2017

Danke für diesen Überblick über die Rechtschreibung :-)

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