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Mit Stolpersteinen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern

Andrea Bentschneider - 16. Dezember 2017 - Allgemein, Historische Ereignisse, Historische Dokumente, Hamburg, Jubiläum, Wissen

Es ist wohl eines der bekanntesten Projekte zur Erinnerungskultur. Mittlerweile sind über 60.000 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig in weit über 1.000 Orten und Städten zu finden und das nicht nur in Deutschland sondern in über 20 europäischen Ländern. An die Opfer wird vor ihrem jeweils letzten freiwillig gewählten Wohnort erinnert. Individuelle Schicksale werden so im Stadtbild sichtbar gemacht. Es wird deutlich, dass Deportationen in der direkten Nachbarschaft stattgefunden haben. Gedacht wird der Verfolgung und Vernichtung nicht nur der Juden sondern aller Opfergruppen des Nationalsozialismus. Stolpersteine werden beispielweise auch für Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch oder religiös Verfolgte sowie Euthanasieopfer verlegt.

Tatsächlich entstand das Projekt ursprünglich aus dem Gedenken an die Deportation von Sinti und Roma in Köln. 1990 zeichnete Gunter Demnig die Wege ihrer Deportation mit einem Schriftspurgerät nach. Zwei Jahre später ließ er zum ersten Mal einen mit einer Messingplatte versehenen Stein in den Boden ein. Den Ur-Stolperstein sozusagen. Er wurde am 16. Dezember 1992 ohne Genehmigung vor dem Historischen Rathaus Köln anlässlich des 50. Jahrestages des Befehls Heinrich Himmlers zur Deportation der Sinti und Roma (Auschwitz-Erlass) verlegt. Der Stein hatte mit den heutigen Stolpersteinen jedoch nur wenig gemeinsam. Er erinnert nicht an einen individuellen Menschen, sondern gibt die Anfangszeilen der Ausführungsbestimmungen (Schnellbrief) zum genannten Erlass wieder. In der Presse wurde jedoch offenbar bereits von einem Stolperstein gesprochen.

 

In den folgenden Jahren entwickelte Gunter Demnig daraus das Projekt „Stolpersteine“ wie wir es heute kennen. Bereits 1995 wurden einige wenige Steine in Köln ohne Genehmigung verlegt. Die ersten offiziellen, aber immer noch ungenehmigten, Verlegungen folgten 1996 im Rahmen einer Ausstellung in Berlin. Genehmigt wurden die ersten Steine in Deutschland dann im Jahr 2000. Das war der offizielle Start des heutigen Projektes. Seit 2002 ist Hamburg Teil des Erinnerungs-Projekts. Über 5.000 Stolpersteine liegen bereits in der Hansestadt.

Die Stolpersteine bestehen aus Betonwürfeln die 9,6 x 9,6 cm groß und 10 cm tief sind. Versehen sind sie mit einer Messingtafel, in die der Text eingeschlagen wird. Die Steine werden ausschließlich in Handarbeit hergestellt und die Texte und verwendeten Begrifflichkeiten anhand der Rechercheergebnisse von Gunter Demnig bestimmt. Enthalten sind immer den Namen, das Geburtsjahr, Deportationsjahr und -ziel sowie Angaben zum weiteren Schicksal. Wo die Anzahl der Stolpersteine die Dimensionen sprengen würden, können sogenannte Stolperschwellen verlegt werden. Diese können bis zu einem Meter lang sein und in wenigen Zeilen dokumentieren, was an dem jeweiligen Ort geschah.

Stolpersteine können von jedem gesponsert werden. Vielerorts haben sich ehrenamtliche Initiativen und Projekte gebildet. Reinigungsaktionen und Führungen werden organisiert. Häufig gibt es auch Schülerprojekte. Die Biographien vieler tausend Menschen wurden im Rahmen des Projekts erforscht und oft auch über die Stolpersteine hinaus veröffentlicht.

Allerdings stoßen die Steine auch auf Widerstand. Es gibt bis heute Behörden, die die notwendigen Genehmigungen verweigern, aber auch die Meinungen innerhalb der verschiedenen Opfergruppen sind durchaus gespalten.

 

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